Was ist der schnellste Weg, um eine funktionierende Beziehung zu ruinieren?
Besuche ein Seminar in Gewaltfreier Kommunikation und erzähle dann zuhause deinem/r Partner/in, dass du „Verbindung brauchst“ und nur noch „Gefühle und Bedürfnisse hören möchtest“.
Korrigiere anschließend jeden Satz deines/r Partners/in indem du darauf hinweist, dass er/sie gerade nicht von „Gefühlen und Bedürfnissen gesprochen hat“.
Und wenn du dann noch den Beziehungs-Supergau auslösen möchtest, beende jeden zweiten Satz mit: „Kannst du mir bitte sagen, was du gehört hast?“
😉
Spaß beiseite – natürlich beschäftigt das Thema Partnerschaft viele unserer TeilnehmerInnen. Wir hören oft wie sehr sie sich nach mehr Gemeinsamkeit, Intimität oder Lebendigkeit in ihrer Partnerschaft sehnen. Wenn sie dann erleben, welche Tiefe und Qualität in Gesprächen möglich ist, verstärkt sich dieser Schmerz noch. Und oft kommt nach einem Seminar noch die Enttäuschung hinzu, die Beziehung immer noch nicht verbessern zu können, weil es „zuhause einfach nicht klappt mit der Gewaltfreien Kommunikation“.
Gewaltfreie Kommunikation macht eine Beziehung (anfangs) meist schwieriger
Die Erfahrung, dass die Gespräche mit dem/der Partner/in nach dem ersten Kontakt mit Gewaltfreier Kommunikation nicht unbedingt einfacher oder gar konfliktärmer werden, teilen wir mit vielen unserer Klienten und TeilnehmerInnen. Aus meiner „Innensicht“ als (Ehe-)Mann kann ich sagen, dass der Versuch mehr Ehrlichkeit und Empathie in der Beziehung zu leben sehr herausfordernd, sehr frustrierend und sehr beängstigend sein kann.
Natürlich ist mein Wunsch nach Offenheit und Authentizität in meiner Partnerschaft am größten, gleichzeitig aber auch meine Angst, mich verletzlich zu zeigen oder „falsch zu sein“ mit dem, was in mir vorgeht. Und dummerweise fällt es mir auch gerade in meiner engsten Beziehung am schwersten, keine Verantwortung für die Gefühle anderer zu übernehmen – denn, so der teuflische Gedanke: Wenn meine Partnerin sich schlecht, dann sicher, weil ich ich nicht gut (aufmerksam, liebevoll etc.) genug bin?
Wir erleben in Paarberatungen häufig, dass in Beziehungen, in denen einer oder beide die „Gewaltfreie Kommunikation leben wollen“ eine gefährliche Kombination entsteht aus (wachsendem) Anspruch an Offenheit und (begrenzten) Fähigkeiten im empathischen Kontakt mit sich selbst und/oder dem Anderen.
Was man tun kann, um es (sich) einfacher zu machen
Im Rückblick auf viele Beziehungsjahre mit Gewaltfreier Kommunikation hat mir vor allem Eines geholfen: Meinen „Empathiespeicher“ so gut wie möglich gefüllt zu halten. Es war auffallend, dass mir schwierige Gespräche mit meiner Partnerin nach einem Seminar oder einer Übungsgruppe, in der ich „high-quality“ Empathie bekommen habe, sehr fiel leichter fielen.
Meine „Giraffenohren“ (die Fähigkeit, empathisch zuzuhören) waren dann wacher und energiegeladener – und so konnte ich auch Ärger oder Traurigkeit bei meiner Partnerin hören, ohne sie gleich (allzu sehr) als Kritik zu verstehen.
Eine Mutter kann ihr Baby nur dann füttern, wenn sie selber genug zu Essen hat. (Marshall Rosenberg)
Genauso ist es mit Empathie, man kann nur geben, wenn man selber genug davon bekommen hat.
Empathie ist etwas anderes als Sympathie, Zustimmung oder Analyse
Erfahrungsgemäß ist nicht immer klar, was hier mit „Empathie“ gemeint ist. Unter Empathie verstehen wir eine Unterstützung beim Bewusstmachen von Gefühlen und Bedürfnissen – keine Sympathie, keine Ratschläge, keine Analysen, keine Diskussionen etc. Ein Gespräch beim Bier bei dem die Beteiligten ihren Frust „loswerden“, gibt einem sicher auch ein gewisses Maß an Verständnis und Sympathie – aber keine Empathie.
Meist braucht es die Begleitung durch etwas geübte Menschen, um zu erleben, wie sich „echte“ Empathie anfühlt und was sie bewirkt. So war es jedenfalls bei mir und so erleben wir es bei vielen Menschen, die wir begleiten. Für mich war daher der Besuch einer Übungsgruppe in Gewaltfreier Kommunikation, die Unterstützung durch eine Empathie-Gruppe (oder „Empathie-Partner“) und viel Zeit für (Selbst-)Empathie eine der besten „Investitionen“, um die Liebe in der Partnerschaft lebendig zu halten.
Vielen Dank für den Beitrag. Ich glaube dazu, dass die Beziehung zu meiner letzten Freundin auseinander gegangen ist, hat auch in hohem Maße mein höherer Anspruch nach Offenheit und Authentizität gepaart mit einem leeren Empathiespeicher beigetragen. Ich hatte mit der GfK erlebt, was möglich ist und ich war manchmal so verzweifelt und hab mich sehr einsam mit meiner Freundin gefühlt angesichts des riesigen Unterschieds zwischen meinem Ideal von Verbindung und dessen, was gerade da war. Und dann wollte ich so gerne, dass sie ebenfalls GfK lernt, damit uns das diesem Ideal näher bringt, aber sie wollte es nicht, bzw. war vielleicht auch überfordert, überwältigt, brauchte ebenfalls Empathie.
Ich wünsche mir bis heute, diese Verbindung zu ihr käme zurück und wir könnten weiter daran arbeiten. So wie es aussieht hat sie daran aber kein Interesse, bzw. wenig Zuversicht, dass es ihre Bedürfnisse erfüllen würde, das mit mir zu versuchen.
Danke für die schöne Definition von Empathie. Ich merke auch, dass Empathie eigentlich immer auch Klarheit darüber ist, was eigentlich los ist. Vielleicht ist Klarheit aber auch das Ergebnis und Empathie der Prozess dahin? Und vielleicht lässt sich die Energie, die man damit bekommt so erklären, dass man wieder versteht, dass alles was Menschen tun, ein Ausdruck der Liebe ist und dass dieses Erkennenkönnen einem sehr viel Kraft und Vertrauen gibt?
Keep up the good work!
Niklas
Hallo Niklas,
vielen Dank für DEINEN Beitrag! Besonders dein letzter Satz zur Empathie hat mir sehr gefallen – „Empathie lässt einen Verstehen, dass alles was Menschen tun, ein Ausdruck von Liebe ist“. Ja!, ist nur manchmal verdammt schwer, „dahin“ zu kommen, oder?
Tut mir leid zu hören, dass deine Erfahrung gerade das von mir Beschriebene bestätigt. Ich vermute, dass du aus dieser Erfahrung viel gelernt hast – gerade auch darüber, was „Gewaltfreie Kommunikation machen/leben“ wirklich bedeutet – vielleicht mehr als aus jedem Seminar, oder?
Mit herzlichen Grüßen,
Markus Sikor
Hallo Markus,
danke für deine Antwort, ich „fühl“ mich wirklich verstanden darin. Ich habe in der Tat viel aus dieser Erfahrung gelernt. Ich habe mir seit der Trennung zur obersten Priorität gemacht, genau zu verstehen, welche Dynamik dazu geführt hat, dass es so gekommen ist und was mein Beitrag darin ist. Ich habe wirklich wichtige Erkenntnisse gesammelt, die mir sehr sicher dabei helfen werden, dass das nicht wieder so passiert, bzw. ich sehr anders damit umgehen kann.
Ich lese gerade im Blog von Conal Elliot http://evolve.awakeningcompassion.com/ in dem du auch einen Kommentar zum Thema „faux needs“ hinterlassen hast. Mir fällt auf, dass vieles, was ich dann auch als „Bedürfnis“ in Bezug auf meine Ex verstanden habe, vor allem die wichtigsten Strategien waren, oder die besten, denen ich am meisten vertraue, um dahinter liegende Bedürfnisse zu erfüllen. Darunter ist vor allem Selbstliebe. So kann ich zwar theoretisch verstehen, dass die Anwesenheit meiner Ex für meine Selbstliebe nicht notwendig ist. Da aber die Strategie, der ich am meisten vertraue, mein Selbstbild ist, in welchem ich mit ihr zusammen bin, erlöst mich das noch nicht vor der Angst, was geschieht, wenn das nicht mehr geht. Gleichzeitig beruhigt es enorm zu verstehen, dass die Angst vor allem daher kommt, dass ich bisher einfach noch nichts anderes dazu gelernt habe… dass das aber sehr wohl im Bereich des Möglichen liegt. Und so kommt die Hoffnung zurück.
Dafür ist aber ebenfalls wichtig anzuerkennen, dass ich nun mal in dem Moment keine bessere Strategie weiß und sie von daher sehr wichtig für mich ist. Diesen Schritt nicht zu übergehen, auch das bedeutet Selbstliebe für mich. Und danach liebevoll mit dem zu arbeiten, was ich habe, was da ist, was ich an Möglichkeiten sehe, ist erst der nächste Schritt.
Zur Liebe zurück zu kommen ist manchmal wirklich nicht leicht. Und das hat direkt mit dem zu tun, was ich gerade gesagt habe. Wenn ich meine wichtigsten Strategien für meine Bedürfnisse zunächst mal nicht kenne und dann im Folgenden vielleicht noch für Bedürfnisse halte, lebe ich automatisch im Mangel. Ich komme in die Fülle, sobald mir das bewusst wird. Dann definiere ich mich nicht mehr darüber, was ich tun kann, was ich schon gelernt habe, da es mit mehr Leichtigkeit immer wieder was Neues sein kann. Und so bin ich bereit, mich der Andersartigkeit, der Liebe in einer komplett anderen und vielleicht zunächst fremden Form, komplett zu öffnen. Es ist „Loving you, being me.“ Und wenn du mich fragst, ob eine Beziehung bereichernd ist und sich beide Partner immer wieder dafür entscheiden, hängt direkt von dieser Offenheit gegenüber der Andersartigkeit des anderen ab.
Lieben Gruß
Niklas